TRANSFORMATION - TIEFGREIFENDE VERÄNDERUNGEN VERSTEHEN, ERMÖGLICHEN UND GESTALTEN

Das Gefühl, in die Zukunft geschaut zu haben​

Es ist ein sonniger Frühlingsmorgen, als Sabine Testen in den Flieger von Los Angeles nach Frankfurt am Main steigt. Sie strahlt und ist euphorisiert, denn sie hat das Gefühl, in die Zukunft geschaut zu haben. Warum? Sie kommt gerade von einer mehrtägigen Lernreise durch das Silicon Valley. Ziel der Reise war, besser zu verstehen, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Geschäftsmodelle und die internen Arbeitsweisen der Versicherungsbranche haben würden, und daraus konkrete Implikationen abzuleiten. Sabine Testen ist schon lange im Geschäft und kennt die Branche durch und durch. Gleichzeitig spürte sie in letzter Zeit immer häufiger, dass sich die Dinge verändern. Auch weiterhin liefen Versicherungsabschlüsse über Versicherungsmakler und der Mensch war der zentrale Vertriebsweg. Gleichzeitig aber spielten neue Technologien eine zunehmend größere Rolle: Seien es die Ermittlung von Betrugsfällen oder die Einschätzung von Risiken – vieles würde zukünftig über künstliche Intelligenz möglich sein. Chatbots und Sprachassistenten kommunizieren schon heute mit Kunden, Adressänderungen werden automatisiert bearbeitet. Testen schaut gedankenverloren auf ein Buch, das sie auf dem Flug in die USA angelesen hatte. Es handelt von der Disruption ganzer Branchen durch Tech Unternehmen wie Amazon, Google oder Facebook. Und das traf auch auf die Versicherungsbranche zu. So hatte sie auf ihrer Reise durch das Silicon Valley unter anderem gelernt, dass vor allem Amazon Ambitionen zum Aufbau einer Krankenversicherung hat und in Indien bereits in einen Versicherer investiert. Zuerst war sie unsicher, was eine Reise an die Westküste der USA bringen soll, nun aber ist sie wie aufgeladen. Sie hat das Gefühl, in eine Glaskugel geblickt und verstanden zu haben, worum es jetzt und sofort gehen muss, um die Herausforderungen in ihrer Branche anzugehen. Alles ist möglich, man muss es nur machen – und zwar schnell. Sie ist bereit dafür. Kaum in Frankfurt gelandet, ruft sie vom Flughafen ihr komplettes Management-Board an und organisiert spontan ein Meeting für kommenden Montagmorgen. Ihre Botschaft ist unmissverständlich: „Wir müssen uns grundlegend neu aufstellen. Schluss mit Kleinklein. Jetzt müssen wir neu, anders und vor allem groß denken.“ Ein „Ja, aber“ oder gar „Nein“ akzeptiert sie nicht. Sabine Testen ist Mitte 50 und leitet als Chief Technical Officer (CTO) den Technikbereich eines internationalen Versicherungsunternehmens. Sie hat schon viele Trends in der Versicherungsbranche kommen und gehen sehen. In den letzten Jahren ist ihr aber mehr und mehr aufgefallen, dass die Werkzeuge und Herangehensweisen bei Veränderungsmaßnahmen in ihrem Unternehmen, die in der Vergangenheit wunderbar funktioniert haben, nicht mehr zu greifen scheinen. Hat eine Restrukturierung kombiniert mit Personaleinsparungen vor 10 Jahren noch die nötigen Effizienzgewinne eingebracht, spürt sie schon lange, dass die Herausforderungen tiefer liegen. Im Board hatte es schon seit Monaten hitzige Diskussionen über den Rückgang des Marktanteils und die richtige Strategie, darauf zu reagieren, gegeben. Eine der Ideen, die dabei entstanden, war es, zu schauen, wie andere Unternehmen erfolgreich auf zunehmend gravierende Entwicklungen in ihrem Umfeld reagierten. Daher die Reise ins Silicon Valley. „Von den Großen lernen“, so ihre persönliche Erwartung vor der Reise. Die Reise hielt, was sie versprach: Sabine Testen kehrt inspiriert und voller neuer Ideen zurück, die sie nun umsetzen will. Über allem steht für sie der Gedanke: Wir müssen die neuen digitalen Techniken konsequent in das Geschäftsmodell integrieren und gleichzeitig schneller und vor allem wirksamer Kundennutzen stiften. Bei den großen Technologie-Unternehmen hatte sie einen Einblick in die Welt der Chapter, Tribes und Squads bekommen, die um das Mehrwertversprechen am Kunden herum organisiert werden. Sie hatte gesehen, wie schnell und unkompliziert die Arbeit von der Hand zu gehen scheint. Weniger Meetings – und wenn, dann effektiv. Die Chefin ordnet nicht mehr an und nimmt Ergebnisse ab, sondern überlässt die Verantwortung für die Umsetzung bei den Mitarbeitenden. Sie ist durch Bürolandschaften gelaufen, die ganz anders auf sie wirkten als das, was sie bisher kannte. Und überhaupt schienen alle irgendwie mehr Spaß bei der Arbeit zu haben. Und so berichtet sie am Montag nach ihrer Rückkehr im Board mit Begeisterung von ihren Eindrücken aus den USA. Vorsichtige, skeptische Rückfragen aus dem Kollegenkreis, inwiefern all das auf eine Versicherung übertragbar sei, weist sie zurück: „Wir sind immer so mutlos und zögerlich. So kommen wir nicht weiter.“ Daraufhin verstummen die Rückfragen. Sabine Testen verkündet, dass Sie als CTO umgehend ein strategisches Veränderungsprojekt aufsetzt und hat auch schon einen passenden Namen dafür „Agile now!“ Dafür hat sie Personen aus ihrem Bereich für eine Task Force benannt, die das Projekt nun sofort angehen und durchziehen sollen. Auf die Rückfrage, ob sich der Initiative weitere Bereiche des Unternehmens anschließen wollen, erntet sie Schweigen. „Nun gut, dann gehe ich es eben alleine an“, ruft Sabine Testen fast trotzig in den Besprechungsraum. Sie ist auf einer Mission und es fühlt sich gut an.

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